Wiener Nostalgia mit Ernesto Perren

Der singende Schriftsteller Ernesto Perren, umrahmt von Sängerkollege Jean-Pierre Jullier und einer hübschen „Wiener“ Kellnerin.
(Fotos Kurt Schnidrig)

Wer sagt denn, dass Schriftsteller und Literaten nur Schreibtischtäter sind? Der Bergbuchautor, Essayist und Lyriker Ernesto Perren widerlegte am vergangenen Freitagabend mit seinem Trio Nostalgia derartig abwegige Behauptungen in überzeugender Manier. Yvonne Mück als Pianistin, Jean-Pierre Jullier als Bassbariton und Ernesto Perren als Tenor schafften es mit ihren Wienerliedern, die Herzen des Publikums in der Cafeteria Englischgruss in Brig zum Schmelzen zu bringen.

Wiener Nostalgie. Wer schunkelt und summt da nicht unwillkürlich mit? Wienerlieder verbreiten Gemütlichkeit und Unbeschwertheit, aber auch Melancholie und Gefühle von Vergänglichkeit und Sehnsucht: „Mei‘ Muatterl war a Wienerin“, „Das hat ka Göthe gschriebn“, „Die Weana Gemütlichkeit stirbt niemals aus“, „Von der alten Zahnradbahn“, „Ein winziges Gasserl“ oder „Im Prater blühn wieder die Bäume“. Am beliebtesten war das Wienerlied im „Fin de siècle“, am Ende des 19. Jahrhunderts also. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte es eine Renaissance, die bis in die 1980er-Jahre hinein anhielt. Als dann die grossen Medien wie das ORF die Ausstrahlung von Wienerliedern aus ihren Programmen verbannten, verloren diese an Breitenwirkung. So war denn der Nachmittag mit dem Trio Nostalgia so etwas wie eine wehmütige Hinwendung zu vergangenen Zeiten.

Mei Muatterl war a Weanerin“ – Ernesto Perren und Jean-Pierre Jullier beschworen die gute alte Zeit herauf.

Ernesto Perren ist nun alles andere als ein Wiener Kind. Ganz im Gegenteil. Er stammt aus einer Zermatter Bergführerfamilie. Nach der Handels- und Verkehrsschule in Brig sowie dem Besuch diverser Mittelschulen in Luzern und Zürich, folgten Sprachaufenthalte in der Westschweiz, im Tessin, in England, Frankreich, Spanien und Südamerika. 1968 liess sich Perren bei der Swissair zum Luftverkehrsfachmann ausbilden und arbeitete 26 Jahre lang in diesem Unternehmen. 1994 kehrte er nach Zermatt zurück. Er wagte den Schritt in die Selbständigkeit und begeisterte eine weltweite Kundschaft als Reise- und Trekkingleiter, aber auch als Parahotelier.

Wehmütig, nostalgisch und sentimental: Schriftsteller, Essayist, Dichter und Sänger Ernesto Perren liebt die Wiener Kaffeehaus Musik.

Bergschriftsteller, Essayist und Lyriker. Bis heute hat Ernesto Perren ein Flair für Sprachen und Kulturen beibehalten, insbesondere Lateinamerika hat es ihm angetan. Auf einheimischem Boden hat er zahlreichen Institutionen zu Ansehen und Renommee verholfen: Dem Verband Autorinnen und Autoren der Schweiz (AdS), dem Deutschschweizer Pen Zentrum (DSPZ), der SUISA, Kultur Zermatt und der Adolf Fux Stiftung. Fast alle seiner Werke sind im Rottenverlag erschienen. Bekannte Sachbücher sind „Wallis – deine Berge“ (2004), „Hotels erzählen“ (2004), „100 Jahre im Banne des Monte Rosa“ (2007) und der „Wanderführer Zermatt“ (2013). Ernesto Perren veröffentlichte auch grossartige Essays wie „Wendezeit – Zeitenwende“ (2013) oder „Mythos Matterhorn“ (2015). Als Lyriker machte er sich einen Namen mit Berg-, Natur- und Stimmungsgedichten, die er herausgab im Band „Wenn Erde und Himmel sich berühren“ (1997). Ein Verkaufsschlager sind auch seine Berg- und Talgeschichten, herausgekommen im Sammelband „Aroleit“ (2011).

Wienerlieder mit Herz und Gemüt gibt Ernesto Perren mit dem Trio Nostalgia zum Besten. Dazu gehören Yvonne Mück (Piano), Jean-Pierre Jullier (Bassbariton), Ernesto Perren (Tenor).

Das Trio Nostalgia mit Ernesto Perren verfügt über ein breites und liebevoll ausgestaltetes Repertoir von Wienerliedern. Ob vorgetragen als Strassenlied, als Theatercouplet oder als Kunstlied – das Trio unternimmt den mutigen Versuch, das Wienerlied wieder einem grösseren Publikum zugänglich zu machen. Die wunderschönen Männerstimmen und die einfühlsame Pianobegleitung schufen Wiener Kaffeehaus-Atmosphäre, bei der selbstverständlich auch die charmanten Wiener Kellnerinnen mit Häubchen und die Sacher Torte mit einem „Fiaker“, einem „Franziskaner“ oder einem „Melange“ nicht fehlen durften.

Zauberhafte Wiener Musik mit dem Trio Nostalgia und originale Sacher Torte mit Mélange.

Mei‘ Muatterl war a Wienerin, s‘ ist mir heut noch in Erinn’rung / Als ob’s gestern g’wesen wär, ’s war a schöner Sonntagmorgen, / Da ruft Muatterl: G’schwind, kumm her, / Lass die Wikkerln dir frisiern, / Heut will ich zum erstenmal / Dich auf’n Kahlenberg h’nauf führ’n / Oben hat’s mir zeigt die Pracht, / Hat mi g’streichelt und hat g’lacht, / Hat g’sagt: Schau, der Stefansdom / Und der blaue Donaustrom / Und das Häusermeer da drin / is‘ dein Heimatstadt, dein Wien, / Bleib stets treu dem schönen Ort! / I hab g’halten mein Wort.

Im Prater blühn wieder die Bäume… Ernesto und Jean-Pierre zauberten den Frühling in die Herzen des Publikums, und das mitten im kalten November.

War das ein wundervoll nostalgisch-romantisch-sentimentaler Wiener Kaffeehaus-Nachmittag. Es hat wundervoll geschmeckt, lieber Ernesto, lieber Jean-Pierre und liebe Yvonne. Mitten im Winter sind wir aufgetaut und der Frühling hielt Einzug in unseren Herzen. Der Novemberblues wich dem Wienerlied, und ja, wir waren uns einig: „Das hat ka Göthe gschriebn“.

Text und Fotos: Kurt Schnidrig