Im Gespräch mit Dr. Helmut Stalder

Dr. Helmut Stalder ist promovierter Germanist. Ich sprach mit ihm über Karriere, Profit und tiefen Fall am Beispiel von Kaspar Stockalper.
(Foto: Kurt Schnidrig)

Helmut Stalder, Dr. phil., studierte Germanistik, Geschichte und Politische Wissenschaften in Zürich, Frankfurt/M und New York. Als politischer Journalist und Buchautor arbeitete er beim Zürcher Tages-Anzeiger und bei der Zeitschrift Beobachter. Heute ist er bei der Neuen Zürcher Zeitung tätig. Publikationen u.a.: „Der Günstling“ (2019), „Gotthard – Der Pass und sein Mythos“ (2016), „Verkannte Visionäre – 24 Schweizer Lebensgeschichten“ (2011). Helmut Stalder lebt mit seiner Familie in Winterthur. Ich sprach mit ihm über Karriere, Profit und tiefen Fall am Beispiel von Kaspar Stockalper. Und ich fragte ihn, was denn heutige Machtträger von Stockalper lernen könnten.

Herr Dr. Stalder, kann die Verzahnung von wirtschaftlichen und politischen Aktivitäten einer Karriere förderlich sein? – „Nehmen Sie das Beispiel von Kaspar Stockalper. Er hatte in seiner Zeit das Talent gehabt, dass er die Leute von sich abhängig machen konnte, er konnte sie dazu bringen, dass sie ihm loyal gehorchten. Dies gelang ihm, indem er diesen Leuten Kredite gab, dadurch waren sie bei ihm verschuldet und infolgedessen auch treu ergeben. Es kam auch vor, dass er der arbeitenden Bevölkerung in seinen Unternehmungen Posten verschaffte. Auf diese Weise verfügte er über eine ganze Schicht von Leuten, die ihm zur Seite standen, und die ihm seinen Aufstieg ermöglichten.“

Die Klientelwirtschaft war und ist zu allen Zeiten ein Thema? Wie konnte unsere Region damals davon profitieren? – „Stockalper war ein Arbeitgeber. Er hatte eine Baufabrik für alle Bauwerke entlang der Passroute, da waren Hunderte von Leuten beschäftigt. Dies galt auch für die Bergwerke, die er betrieb. Forscher haben ausgerechnet, dass etwa 5’000 Leute für Stockalper gearbeitet hatten. Zusätzlich kam noch der eigene Hausstand hinzu mit Mägden und Knechten. Dank Stockalper hatte eine ganze Gesellschaftsschicht um ihn herum Brot und Auskommen.“

Das Pendelspiel zwischen den Grossmächten kam vor allem wegen dem Salz und den Söldnern zustande? – „In Europa tobte der Dreissigjährige Krieg, und die Königshäuser, die diesen Krieg führten, brauchten Söldner. Walliser waren als Söldner äusserst beliebt, nicht, weil sie besonders zuverlässig gewesen wären, sondern weil sie nicht irgendwelchen Kontingenten unterstanden. Stockalper konnte unbegrenzt Söldner liefern. Damit half er den Königshäusern. Diese wiederum gewährten ihm im Gegenzug Privilegien, zum Beispiel eine Monopolstellung für den Handel mit Gütern wie Salz. Das ging lange Zeit gut. Vor allem mit dem französischen König hatte Stockalper ein gutes Auskommen. Gleichzeitig bändelte Stockalper aber auch mit den Habsburgern an, in Spanien und in Mailand brauchten diese immer wieder neue Truppen, um die Pässe zwischen Italien und den spanischen Niederlanden zu sichern. Stockalper war auch für diese Regionen als Schutzherr zuständig.“

Was hat Stockalper zu Fall gebracht? – „Er hatte es übertrieben! Man kann das nicht anders sagen. Stockalper wurde derart dominant, dass er fast in jedem gesellschaftlichen Bereich präsent war. Wenn andere auch an die Futtertröge drängten, dann war immer einer schon da, nämlich Stockalper. Irgendwann hatte die Elite des Wallis, die anderen vermögenden Familien also, die Schnauze voll davon. Viele hegten einen abgrundtiefen Hass auf Stockalper. In dieser Situation suchten die damaligen Protagonisten nach einem Weg, um Stockalper loszuwerden. Mit Hilfe eines politischen Komplotts gelang es den Widerständigen schliesslich, Stockalper wegzuputschen.“

Was könnten heutige politische Machthaber von Kaspar Stockalper lernen? – „Ich möchte nicht auf einzelne Persönlichkeiten anspielen. Nur so viel: Damals war das Wallis bereits eine Republik. Es war sicher nicht in heutigem Sinn demokratisch, aber es gab auch schon eine politische Kontrolle. Deren Ratschlag sollten auch heutige Machtträger berücksichtigen: Hört auf das Volk! Streckt den Kopf nicht zu weit nach oben, sonst wird er einem kürzer gemacht.“

Interview und Foto: Kurt Schnidrig