Bestsellerautorin mit Walliser Wurzeln

Den Durchbruch zur Bestsellerautorin geschafft: Blanca Imboden mit Bürgerort Ausserberg.
(Fotos: Kurt Schnidrig)

Sie hat den Durchbruch zur Bestsellerautorin geschafft: Blanca Imboden mit Bürgerort Ausserberg. Ihr Vater ist dort geboren und aufgewachsen. Blanca Imboden selber erblickte 1962 in Ibach im Kanton Schwyz das Licht der Welt. Als Sekretärin, Sängerin und Seilbähnlerin sammelte sie vielerlei Lebenserfahrung, die sie zur volksnahen und populären Schweizer Bestsellerautorin heranreifen liess. Mit ihren erfolgreichsten Büchern „Wandern ist doof“ und „Drei Frauen im Schnee“ hielt sie sich 30 Wochen lang in der Schweizer Bestsellerliste. Aktuell tourt sie mit ihrem Altersheimroman „heimelig“ durch die Schweiz. Wir trafen sie am vergangenen Wochenende anlässlich einer Lesung in der ZAP Brig.

Lustiges und Haarsträubendes aus dem Altersheim. Blanca Imbodens Altersheimroman basiert auf Recherchen ihrer Mutter Madeleine. „Sie war im Altersheim und erzählte immer wieder Geschichten, zum Teil waren dies lustige Erzählungen, es war aber auch viel Haarsträubendes darunter“, erklärt mir Blanca Imboden. Wir sitzen zusammen im Restaurant Couronne in Brig und lassen uns einen „Walliser Pfannkuchen“ schmecken. Nein, sie habe kein bestimmtes Altersheim im Auge, ihr Altersheim „heimeilig“ habe sie bewusst an keinem geografisch klar definierten Ort angesiedelt. Während ihrer Recherchen habe sie erfahren, wie Sparprogramme, Personalnotstand und Reglementierungen das Leben für die Pflegenden immer schwieriger machen. Und sie betont: „Mein Buch soll keine Kritik sein an den Pflegenden, sondern am System. Wenn alle einfach am Limit laufen, wenn gespart wird wie verrückt, dann passieren Fehler.“

Langeweile, Bevormundung, Spardruck. Blanca Imbodens Kritik in ihrem Roman „heimelig“ ist happig. Wohl auch deshalb verlangte ihre wichtigste Gewährsperson, die eigene Mutter, dass das Erlebte erst nach ihrem Tod veröffentlicht werden dürfe. Ob sie denn auch mit konkreten Verbesserungsvorschlägen aufwarten könne, wollte ich von Blanca Imboden wissen. Ihre Antwort darauf kam prompt: „Zum Glück bin ich keine Politikerin, sonst müsste ich so tun, als hätte ich Lösungen und Vorschläge, aber ich habe keine, ich bin nur eine Geschichtenerzählerin“, gesteht sie. Sie habe aber viele Fragen auf dem Herzen, und die müssten gestellt werden.

Altersheim oder „Abkratzresidenz“? Mit ihren 77 Jahren ist Nelly, die Protagonistin im Altersheimroman „heimelig“, eine zwar gesunde, fröhliche und aktive Witwe, trotzdem muss sie jedoch ins Altersheim, weil ihre Tochter Trudi das gemütliche Elternhaus durch einen modernen Neubau ersetzen möchte. Eigentlich entspricht es einer gewissen Logik, dass eine wie Nelly im Altersheim fast umkommt vor Langeweile. „Es geht ihr dort einfach zu gut, deshalb wohl langweilt sie sich und wird zur Rebellin“, präzisiert die Autorin. Für eine wie Nelly darf ein Altersheim nicht einfach schöngeredet werden zu einer Seniorenresidenz, auch nicht zu einem Betagtenwohnsitz, zu einem Feierabendhaus oder zu einem Seniorenwohnheim. Nellys Mitbewohner und Leidensgenosse Tobias findet für „Altersheim“ weit träfere Ausdrücke wie „Seniorenzwischenlager, Runzelsilo, Mumienbunker, Faltenlager, Seniorensammelstelle, oder gar Abkratzresidenz“ (heimelig, S. 12). In dieser Situation wird die Protagonistin Nelly im Altersheimroman zur Rebellin und beschliesst, Tagesausflüge „Von A bis Z“ zu unternehmen. Warum Nelly aus dem Altersheim spazierte und nie mehr wiederkam – der Untertitel des Romans weckt die Neugierde auf die Abenteuer einer vifen Greisin, deren Lebenslust und deren Lebensträume noch lange nicht erloschen sind.

Warum Nelly aus dem Altersheim spazierte und nie mehr wiederkam. Blanca Imbodens Altersheimroman ist ein „Pageturner“. (Fotos: Kurt Schnidrig)

„Go“ statt „Stopp“. Die Romanstory nimmt Tempo auf, als Tobias, Nellys Mitbewohner, beim Abendessen ungehemmt sein kariertes Hemd öffnet und seine Brust zeigt. Darauf hat er riesengross und mit einem dicken, wasserfesten Stift „STOPP“ geschrieben. „Das ist für die Rettungssanitäter oder für jeden, der meint, mich nach einem Herzstillstand reanimieren zu müssen“, verkündet Tobias, der nicht so aussieht, als würde er es noch lange machen, und der den übelsten Prognosen zum Trotz fröhlich weiter lebt. Er habe aus der Zeitung erfahren, dass die Gemeinde plane, öffentlich zugängliche Defibrillatoren zu installieren. Dies sei der Grund, weshalb er seine Brust bemalt habe (heimelig, S. 34). Aus auktorialer Perspektive erfährt man als Leser, was die Aktion bei der Protagonistin Nelly auslöst: „Stopp? Im Moment möchte ich mir lieber GO auf die Brust schreiben. Raus ins Leben! Go!“ (heimelig, S. 35).

Leben und Lieben im Alter. Der Walliser Pfannkuchen im Restaurant Couronne in Brig war schon fast aufgegessen, unser Gespräch plätscherte nun angenehm locker dahin. Ob sie auf der Welle von Forever Young reite, wollte ich da von Blanca Imboden wissen. Das zwar schon nicht, beschwichtigte sie, aber mit ihrem Buch wolle sie Mut machen. Und dann wird sie nachdenklich, die Bestseller-Autorin, und sie erzählt von sich. Ja, es sei schon so, auch sie habe nun nochmals mit 56 Jahren eine neue Liebe gefunden. Vor zwei Jahren habe sie ihren Mann verloren. „Ich war total am Boden“, gesteht sie. Dann sei auch noch ihre Mutter gestorben, das alles sei „ganz happig“ gewesen, fast habe sie das alles nicht mehr ertragen können. Doch dann sei sie nun einer neuen grossen Liebe begegnet. „Das ist etwas sehr Eindrückliches, das ist etwas, was ich den Leute gerne mit auf den Weg geben würde: Nie die Hoffnung aufgeben!“ Im über 70-jährigen Luzerner Peter Bachmann, einem pensionierten Lehrer und Musiker, hat sie einen Lebenspartner gefunden, der wie sie selber verwitwet ist. So kennt man den Schmerz des anderen, resümiert die Autorin. Ihr neuer Freund hat sie auch bei der Arbeit an ihrem aktuellen Buch „heimelig“ unterstützt, das bereits wieder auf die vordersten Plätze der Schweizer Bestsellerliste geklettert ist.

Mit Humor und Leichtigkeit. Das Altwerden und die letzten Jahre vor dem Ableben, das ist ja nun nicht gerade der freudvollste Abschnitt unseres Lebens. Autorin Blanca Imboden schafft es, diese komplexe Thematik spielerisch, humorvoll und mit Leichtigkeit rüberzubringen. Ob es denn dieser lockere Umgang mit Tabuthemen sei, der ihre Bücher die Bestenlisten erstürmen lasse, versuchte ich ihr Erfolgsgeheimnis zu ergründen. „Das ist eines der Geheimnisse“, präzisiert sie lachend, zumindest würden dies die vielen Feedbacks bestätigen, die sie immer wieder in ihrem Schreiben bestätigen würden. Doch mehr noch habe ihre breite Berufserfahrung ihr dabei geholfen, „auf dem Boden bleiben zu können“. Ihre Popularität und ihre Lesernähe verdanke sie auch ihrer Vielseitigkeit.

Eine Schreibblockade droht. Blanca Imboden ist eine, die sich im Leben nicht geschont hat. Sie arbeitet überaus hart, momentan beim Wörterseh-Verlag, aber eigentlich war ihr bisheriges Leben eine einzige Berg- und Talfahrt. Und das nicht nur bei der Seilbahn auf dem Stoos und neuerdings bei der Stanserhorn-Bahn, wo sie in Teilzeit angestellt ist. Immer war da auch ein „zweites Geleise“ als Kunst- und Kulturschaffende. Bereits im Alter von 18 Jahren nahm sie unter dem Künstlernamen „Bee Bach“ ein Album mit dem Titel Face the Music auf. In der Folge war sie Mitwirkende bei verschiedenen Profi-Tanzbands. Zusammen mit ihrem Lebenspartner Hans Gotthardt, der letztes Jahr verstarb, gründete sie das „Duo Tandem“ und war während 13 Jahren als Profi-Musikerin unterwegs. Das zügige und lesergerechte Schreiben eignete sie sich an als redaktionelle Mitarbeiterin und Redaktionssekretärin bei der Neuen Schwyzer Zeitung. Ende der Neunzigerjahre erschienen dann ihre ersten Bücher bei einem Schweizer Bezahlverlag, mit wenig Erfolg allerdings. Der Durchbruch gelang ihr erst mit dem Wechsel zum Wörterseh-Verlag. Und nun? Ob sie sich nicht vor einer Schreibblockade fürchte? „Da bin ich voll drin“, gesteht mir die Bestseller-Autorin freimütig. Herausfinden aus dem Schreibstau will sie mit einem Kolumnen-Band, der Erlebtes und Erfahrenes aus den vergangenen Jahren zusammenfasst. Ist es die Retrospektive einer populären Autorin, die am Ende ihrer Träume angelangt ist und nun zu ihrem privaten Glück finden möchte?

Text und Fotos: Kurt Schnidrig