Fontane entdecken und lesen

Fontane und Storm: Vor 200 Jahren etablierten die beiden norddeutschen Dichter den europäischen Roman. Eine Spurensuche an der Nordsee. (Foto: Kurt Schnidrig).

Fontane und Storm gehören zur Schullektüre. Auch heute noch. An der Nordsee trafen die beiden Dichterfreunde sich regelmässig. Im Haus von Storm in Husum (Bild) tauschten sie sich aus. Die friesische See, das Wattenmeer, bildet den Schauplatz ihrer grossartigen Romane. Zum 200. Geburtstag von Theodor Fontane ist unser Nachbarland in Festlaune. Effi Briest, Stechlin, Irrungen, Wirrungen… wer Fontanes Romane für sich entdeckt, der kommt nicht mehr von ihnen los.

Romancier, Reiseschriftsteller, Journalist. Was lässt sich von Fontane lernen? Wohl vor allem das schnelle und trotzdem präzise Schreiben. Fontanes Arbeitsweise ist es auch, die heute so manchen zeitgenössischen Schriftsteller*innen abgeht. Wer das journalistische Handwerk von der Pike auf gelernt hat, der liebt den Druck, das schnelle Arbeiten und auch die zügige literarische Produktion. Wie sonst wäre es möglich, etwas Neues in der Literaturgeschichte zu evozieren und bleibende Spuren als Schriftsteller zu hinterlassen? Wie Fontane ergeht es auch vielen heutigen Autoren. Es braucht viel Geduld und die Überwindung etlicher Enttäuschungen, bis endlich der grosse Wurf gelingt.

Vom Kriegshistoriker zum Romanschriftsteller. Es waren die grossen Kriege des 19. Jahrhunderts, die Theodor Fontane buchstäblich die Schreibfeder in die Hand gedrückt hatten. Erst mit 60 Jahren hatte er seine grossen Romane geschrieben, allen voran „Effi Briest“. Die Kriege gegen Napoleon und die Schlachten unter dem damaligen Kaiser Bismarck hatten Fontane zutiefst geprägt. Die Kriege lieferten die Stoffe für seine literarische Produktion, da konnte er aus dem Vollen schöpfen. Dann, im Alter, hat er in furiosem Tempo einen Roman nach dem anderen abgeliefert. Als gelernter Apotheker hatte er dabei eine spannende literarische Methode entdeckt: Die Mischtechniken, mit denen er als Apotheker experimentierte, setzte er als Romancier auch literarisch um.

Gefühlvolle Romanzen mit Tiefgang. Germanisten und Literaten sind fasziniert vom literarischen Kosmos, den sich Fontane erschaffen hatte. Er begeistert noch heute. Seine Gesellschaftsromane wie „Effi Briest“ funktionieren wie moderne Telenovelas unserer Tage. Fontane gilt als der herausragende Vertreter des poetischen Realismus. Doch weshalb musste er sechzig Jahre alt werden, bis es ihm gelang, einen Roman zu schreiben? Als Reiseschriftsteller und als Kriegsbuchautor sicherte er zwar das Familieneinkommen. Doch an einen Roman traute er sich lange nicht heran. Viele Romane, die er las, waren für ihn „wie ein in den Teich geworfener Stein, Plumps, ein paar Ringe, und nach 5 Minuten ist alles wieder still und glatt“.

Theodor Fontane stammte aus Neuruppin, einer Stadt im Norden des Landes Brandenburg. Zum Gedenken an den hier geborenen Dichter trägt sie den Beinamen „Fontanestadt“. In Husum (Bild) traf sich Fontane regelmässig mit Storm zum Gedankenaustausch.
(Foto: Kurt Schnidrig)

In Neuruppin, der Fontanestadt, lässt man Fontane zu seinem 200. Geburtstag aufleben. Es wird alles angeboten, was sich mit Fontane in Verbindung bringen lässt, von Computerspielen über Comics, Wanderungen, Touren, aber vor allem auch Neuauflagen von seinen Romanen, Erzählungen und Gedichten.

Norddeutschland feiert in diesem Jahr die poetischen Realisten Fontane und Storm. Der herbe Charme von Deutschlands Norden ist in grossen Romanen eingefangen.
(Foto: Kurt Schnidrig)

Ein weites Feld. Spannend ist es, auf den Spuren von Fontane und Storm zu wandeln. Egal, ob einen die Lektüre ihrer Werke schon seit der Schulzeit begleitet oder ob man sie erst kennenlernen will: Das ist ein weites Feld. Bei der Redewendung „Das ist ein weites Feld“ handelt es sich um ein Zitat, mit dem Fontane seinen Roman Effi Briest abschliesst. Effi Briests Vater ist es, der zum Schluss diese meisterhafte Erzählung beendet mit: „….das ist ein zu weites Feld.“

Text und Fotos: Kurt Schnidrig