Eine Minute vor Mitternacht

Silvesternacht. Eine Minute vor Mitternacht. Jedes Jahr auch in Gedanken bei dem, was war, und was nicht wieder kommt. Was bleibt, das ist das Schöne. Es gibt so viel Schönes in der Welt. Nur die Sensationspresse muss glauben, dass nur eine schlechte Nachricht auch eine gute Nachricht ist. Dabei ist es einzig das Schöne, das dir immer die Treue hält:

Ein Vogel der im Dunkel singt. Ein Kind, das noch im Traume lacht. Ein Sternenglanz der Winternacht. Ein Abendrot im klaren See. Ein Lied am Strassenzaun erlauscht. Ein Gruss mit Wanderern getauscht. Ein Denken an die Kinderzeit. Ein immer waches, zartes Lied, das nächtelang dir weitet das verengte Herz. (Frei nach Hermann Hesse: Verliebt in die verrückte Welt).

Manchmal braucht es einzig das richtige Wort zur rechten Zeit. Die „richtigen“ Worte sind jedoch wie aufgereiht auf einer Perlenschnur. Und nur manchmal geschieht es, da fällt eines herunter zur rechten Zeit. Zwar nur ein Wort, aber ein Wort zur rechten Zeit:

Manchmal / geschieht es / da nieseln nieder zerstäubende Sterne / auf weiche Wolkendecke / erspähen zerfliessend kristallenes Licht / hinter fremden Augen und Gesichtern / und viel blauer Himmel tut sich auf / spannt sich über stillgewordene Landschaft / und nichts zerreisst die Stille / und der Puls der Erde hört auf zu schlagen / und von den Wörtern gereiht auf Perlenschnur / fällt eins herunter zur rechten Zeit / zerstäubender Stern auf weicher Wolkendecke / halt in fest denn / es geschieht / manchmal. (Kurt Schnidrig: Wortverkleidung). 

Lassen wir das alte Jahr ausklingen in bunter Pracht. Die magische Zeit zwischen dem Gestern und dem Morgen hält viel zauberhaft Neues bereit.

Text und Fotos: Kurt Schnidrig