Weihnachtsgeschichten

Weihnachtsgeschichten – klassisch oder alternativ? In diesen Tagen bekomme ich diese Frage oft gestellt. Meine Antwort darauf fällt eindeutig aus: Es gibt nur klassische Weihnachten. Wer mit dem Weihnachtsfest nicht mehr viel anzufangen versteht, der soll es doch besser bleiben lassen und direkt zur Fasnacht übergehen. Aber bitte keine alternativen Weihnachtsgeschichten, in denen der Samichlaus zum Salamichlaus wird und andere Entgleisungen, auf die ich weiter unten in diesem Blog  zu sprechen kommen werde. Weihnachten ist ein traditionelles Fest, das entsprechend auch Weihnachtsdichter verdient, die ehrfurchts- und stimmungsvoll mit dieser besinnlichen Zeit umzugehen wissen. Federführend sind Dichter und Schriftsteller wie Charles Dickens, Erich Kästner und vor allem Theodor Storm.

Die klassische Weihnacht ist vorwiegend im Norden von Europa beheimatet. Die Stadt Husum, an der Nordseeküste gelegen, ist ganzjährig eine Weihnachtsstadt. Im dortigen Weihnachtsmuseum (Bild) lässt sich verfolgen, wie sich das Weihnachtsfest mit seinen verschiedenen Weihnachtsbräuchen von Norwegen über Norddeutschland bis zu uns und weiter bis in die südlichen Teile Europas ausgebreitet hat.

Auch die Amerikaner haben einige unserer Weihnachtsbräuche übernommen, allerdings teilweise mit lächerlichen und kindischen (nicht kindlichen!) Auswüchsen. Die Stadt Husum an der Nordseeküste ist die Heimatstadt des Weihnachts-Dichters Theodor Storm. In die Literaturgeschichte eingegangen ist er seiner stimmungsvollen Novellen wegen. „Der Schimmelreiter“ gehört auch bei uns zur Schullektüre. Sein grosses Verdienst ist es jedoch, dem Weihnachtsfest neben kindlich-zauberhaften auch sozialkritische Aspekte zugedacht zu haben.

Armut und Reichtum. In der Weihnachtszeit auch ein Herz für die Menschen auf der Schattenseite des Lebens zu haben, dies haben uns Dichter wie Storm gelehrt. Sein berühmtes Gedicht „Weihnachtsabend“ soll uns an die Verantwortung erinnern, die wir – inmitten des pompösen Weihnachtsgeschäfts – gegenüber den mittellosen und bedürftigen Mitmenschen haben:

Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll, / Der Kinder denkend, die ich liess zu Haus. / Weihnachten war’s; durch die Gassen scholl der Kinderjubel und des Markts Gebraus. // Und wie der Menschenstrom mich fortgespült, / Drang mir ein heiser‘ Stimmlein in das Ohr: / „Kauft lieber Herr!“ Ein magres Händchen hielt / Feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor. // Ich schrak empor, und beim Laternenschein / Sah ich ein bleiches Kinderangesicht; / Wes Alters und Geschlechts es mochte sein, / Erkannt ich im Vorübertreiben nicht. // Nur vom Treppenstein, darauf es sass, / Noch immer hört‘ ich, mühsam, wie es schien: / „Kauft, lieber Herr!“ den Ruf ohn Unterlass; / Doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn. // Und ich? – War’s Ungeschick, war es Scham, / Am Weg zu handeln mit dem Bettelkind? / Eh meine Hand zu meiner Börse kam, / Verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind. // Doch als ich endlich war mit mir allein, / Erfasste mich die Angst im Herzen so, / Als säss mein eigen Kind auf jenem Stein / Und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.

Traditionelle Weihnachtsgeschichten und -gedichte sorgen beim Lesen für eine romantische Stimmung in der festlich geschmückten Stube. Wenn die Lichter am Baum aufleuchten, wenn die braunen Kuchen und die Pfeffernüsse auf den Tisch kommen, wenn der Weihnachtstisch arrangiert wird, dann ist dies der stimmige Rahmen, um die weihnachtlichen Texte vorzulesen. Sie erzählen von zwischenmenschlicher Wärme, von Solidarität und vom Frieden, der zumindest in der Weihnachtszeit in allen Herzen wohnen sollte.

Lesestoffe für alternative Weihnachten lassen sich in den Buchhandlungen ebenfalls finden. Soeben herausgekommen beispielsweise vom ehemaligen Fernsehmoderator Frank Baumann die Geschichte „Der Salamichlaus und das verschwundene Christkindli“. Zum Inhalt: Es weihnachtet, das ganze Land versinkt unter einer dicken Schneedecke. Alles könnte ganz wunderbar sein, wenn da nicht der Samichlaus wäre, der in Pension gehen möchte. Also muss ein neuer Chlaus her, und zwar schnell. Doch woher so auf die Schnelle einen neuen Chlaus herholen? Dran glauben muss dann einer, der soeben seine Lehrabschlussprüfung geschafft hat. Alle rufen ihn bloss „Salamichlaus“. Warum? Um das herauszufinden, sollte man die ganze Geschichte lesen, wird dem Leser bereits per Klappentext nahegelegt. Das Buch, genauer das Adventskalenderbuch, beinhaltet 24 Kapitel und soll sich für Jung und Alt eignen. Erfrischend alternativ? Vielleicht. Aber wohl bloss für Weihnachtsabstinenzler und solche, die es werden möchten.

Was es sonst noch so alles gäbe… Werkzeug-Adventskalender, Heimwerker-Adventskalender, Gin-Adventskalender (mit Gin-Proben!), Whisky-Adventskalender (auch mit Proben!), Helden des Alltags-Adventskalender, Angler-Adventskalender, Erotik-Adventskalender (nur mit Bildchen), Grill-Adventskalender (auch nur mit Bildchen), Survival-Adventskalender (ja, es geht ums Überleben!), Wurstadventskalender (mit Wursthäppchen) …. womit wir mehr oder weniger glücklich über die Wurst wieder beim Salamichlaus angekommen sind. Alternative Weihnacht? Wohl eher etwas für Nicht-Leserinnen und Nicht-Leser.

Text und Foto: Kurt Schnidrig