Der Lockruf von Hollywood

Die Bücherschreiber sind ein kunterbuntes Völklein. Es hat auch schräge Paradiesvögel darunter. Doch was ich vergangene Woche bei einer Buchpräsentation in Bern zu hören bekam, ist das absolut Verrückteste, was mir jemals von einem Buchautor zu Ohren kam. Der Mann heisst Florian Burkhardt (Bild) und er erlebte eine unglaubliche Jugend. Er befreite sich aus dem Würgegriff seiner Mutter, aus einer mehr als zwanzig Jahre dauernden Kasernierung, und wurde in Hollywood zu einer grossen Nummer. Als „männliche Claudia Schiffer“ zierte sein Bild die Titelseiten von grossen Modezeitschriften. Mit dem Buch „Das Kind meiner Mutter“ sorgt er jetzt für Furore.

Angefangen hatte alles mit einer tragischen Familiengeschichte. Florians verkorkste Kindheit begann, als er noch gar nicht auf der Welt war. Seine Eltern verschuldeten einen Autounfall und verloren dabei ihr jüngstes Kind. Gewissermassen als Ersatz für den toten Buben zeugten die Eltern sofort ein neues Kind. Schwer belastet mit der Hypothek, seinen Eltern den toten Sohn zu ersetzen, hatte Florian schlechte Karten für sein eigenes Leben. Die Mutter lebte in ständiger Angst, auch dieses Kind zu verlieren. Sie schirmte ihn vor allen Einflüssen der „gefährlichen“ Aussenwelt ab. Eine Horrorvorstellung der Mutter war, dass schlechte Kollegen ihren Florian zum Konsum von Drogen und Alkohol verleiten könnten.

Bis zum 21. Lebensjahr war Florian in seinem Zimmer eingeschlossen wie in einem Gefängnis. Überbehütet und abgeschirmt von seiner Mutter. Auch als Florian bereits ein Teenie war, wurde ihm lediglich erlaubt, mit ganz kleinen Kindern zu spielen. Er besass einzig ein kleines Radio und die Schallplatte mit dem Titel „99 Luftballons“. Mit 16 Jahren entdeckten die Eltern seine Homosexualität und steckten ihn in ein Internat, um die sexuelle Ausrichtung zu „korrigieren“. Das Ergebnis war, dass Florian psychisch erkrankte. In dieser Zeit entwickelte er fantastische Vorstellungen von einem Leben als Disco-King und als Hollywood-Star.

Florian lieferte sich selbst in eine psychiatrische Klinik ein, wo man eine Angststörung diagnostizierte und eine soziale Phobie. Mit 21 Jahren haute Florian dann von zu Hause ab. Es folgten wilde Jahre und ein Absturz nach dem andern. Darüber hat der Regisseur Marc Gisler den Film „Electroboy“ gedreht. Florian trieb sich in der Zürcher Party-Szene herum. Die elektronische Musik faszinierte ihn, und er organisierte Techno-Partys. Es waren dies erste Ausbrüche aus der „Kasernierung“, in die ihn seine Eltern geschickt hatten.

Dann folgte Florian Burkhardt dem Lockruf von Hollywood. Er „verkaufte“ sich als Schauspieler und als Top-Model. „Ich war eine männliche Claudia Schiffer“, berichtet Florian Burkhardt stolz. Und er sei nicht etwa als Model nur im „Vögeli-Katalog“ erschienen, nein, grosse Mode-Zeitschriften wie die „Vogue“ hätten ihn als Model auf der Titelseite abgebildet. Mit seinen 1,79 Metern sei er zwar der Zwerg unter all den Models gewesen, aber trotzdem der „Grösste“. Dass er ständig unter dem Einfluss starker Medikamente stand, nimmt er heute gelassen. Eigentlich hätten die Medikamente eine beruhigende Wirkung haben sollen, erzählt Florian Burkhardt schmunzelnd. Doch die Mediziner hätten selber nicht gewusst, wie die verabreichten Medikamente wirken. Ihn hätten die vielen Medikamente hyperaktiv gemacht und er sei nicht selten auch sexuell „erregt“ durch die Welt gelaufen.

Florian Burkhardt ist stolz auf seine ganz besonderen Techno-Partys. Bei einem Unterwäsche-Shooting habe er sich in einen Schweizer Bauernbub verliebt, gesteht Florian. Seither organisiert er Partys für Schwule und mischt diese Partys mit elektronischer Musik für Schwule auf. Heute zieht er es vor, in seinem Bett  zu sitzen und mit DJ’s und mit seiner Fangemeinde zu „töggelen“, wie er sich auszudrücken pflegt.

In seinem Buch „Das Kind meiner Mutter“ lebt Florian Burkhardt seine Begabung zum Schreiben aus. Weiterentwickelt habe er diese Begabung während der Zeit seiner „Kasernierung“, als ihn seine Eltern bis zur Volljährigkeit in sein Zimmer eingeschlossen hatten, berichtet der Buch-Autor. In diesen Tagen, da sein Buch im wörterseh-Verlag erscheint, sind seine mittlerweile 83-jährigen Eltern auf das Buch ihres Sohnes nicht ansprechbar. Auch er, Florian, habe mit seinen Eltern kaum je darüber gesprochen, gesteht er. Florian Burkhardt ist flügge geworden. Aus eigener Kraft und aus eigenem Antrieb heraus.

Text und Foto: Kurt Schnidrig