Mehr Licht, bitte!

Mehr Licht! Das soll schon der gute alte Goethe gesagt haben, als er auf dem Sterbebett lag. Gestern war die längste Nacht, ab heute gibt es jeden Tag wieder etwas mehr natürliches Licht. Bis dahin sorgt die Weihnachtszeit für viel künstliches Licht. Für die Weihnachtsbeleuchtung in den Strassen ist  viel Geld vorhanden. Gut so! Mehr Licht bitte!

Mehr Licht!  Bitte auch ins Dunkel der Unterschiebungen und Fälschungen. Peinlich, was alles berühmten Persönlichkeiten in den Mund geschoben wird. So haben Freunde am Sterbebett des Dichterfürsten Goethe die „Mehr-Licht“-Geschichte einfach nur erfunden. Der letzte Wunsch Goethes an seinen Diener sei gewesen, die Fensterläden zu öffnen, wird literaturgeschichtlich überliefert. Falsch! Goethes Diener hat etwas ganz anderes ausgesagt. Keinesfalls habe sein Herr „Mehr Licht!“ gerufen. Nein, der Dichterfürst hätte auf dem Sterbebett zuletzt nicht mehr Licht, sondern den Nachthafen verlangt. Nachzulesen ist diese Anekdote im „Buch der falschen Zitate“, das der studierte Geologe, Weltreisende und Journalist Martin Rasper veröffentlicht hat.

„No Sports hat Churchill nie gesagt“, so heisst der Titel eines Buches. Untertitel: Das Buch der falschen Zitate. Wenn sich demnächst ein Couch-Potatoe entschuldigt mit „No Sports!“, und sich mit Churchills angeblicher Ablehnung der körperlichen Ertüchtigung brüstet, dann fallen Sie ihm ruhig ins Wort mit „Komplett erfunden!“ Als Experten für falsche Zitate können Sie den Autor Martin Rasper nennen. Der ist auf Fälschungsjagd gegangen – und er ist mindestens 22mal fündig geworden. Viele Zitate auf Neujahrskarten, Postern oder Geschenkartikeln sind einfach nur falsch oder berühmten Persönlichkeiten in den Mund gelegt worden.

Komplett erfunden sind viele berühmte Zitate. „Wenn die Bienen verschwinden, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben“, soll Einstein gesagt haben. Hat er aber nicht. Umweltaktivisten legten Albert Einstein diese Drohung in den Mund. Der Satz zählt zu den am weitesten verbreiteten falschen Zitaten überhaupt, schreibt Martin Rasper in seinem Buch. Der Satz sei in Etappen entstanden und gleich vier Urheber seien daran beteiligt: Charles Darwin (1859), Maurice Maeterlinck (1901), Ernst A. Fortin (1941), G.V. Poulton (1966). Aber eben – Einstein müsse halt für jedes Grossthema den Namen hergeben, resümiert der Autor in seinem Buch der falschen Zitate.

Zitate werden mit Vorliebe grossen Persönlichkeiten aus Literatur, Politik und Sport in den Mund gelegt: Willy Brandt, Bertolt Brecht, Winston Churchill, Albert Einstein, Michail Gorbatschow und anderen. Je weiter die Lebenszeit der Persönlichkeiten zurückliegt, umso ungenierter darf man ihnen anscheinend Zitate in den Mund legen. Wer hat gesagt „Sie bewegt sich doch“? Nein, nicht Galilei. Auch Sportlern darf man alles in den Mund legen, die sind anscheinend froh, wenn man überhaupt von ihnen spricht. „Fussball ist wie Schach ohne Würfel“, dieses gescheite Zitat soll Lukas Podolski in die Welt gesetzt haben. Hat er aber nicht. Was Podolski wirklich gesagt hat ist dies: „So ist Fussball. Manchmal gewinnt der Bessere.“

Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin. Dieses Zitat hat mich in meiner Studentenzeit mächtig fasziniert. Einige meiner Kollegen haben auf Grund dieses Zitats damals gar den Wehrdienst verweigert. Das Zitat soll Bertolt Brecht formuliert haben. Logisch eigentlich, Brecht, der damals als Revoluzzer und Sozialist die Welt mit seinen Theaterstücken verändern wollte. Aber leider nein, das Zitat ist nicht von Brecht, belehrt uns Martin Rasper in seinem Buch. Das Zitat stammt vom US-amerikanischen Dichter Carl Sandberg und heisst im englischen Original „Sometime they’ll give a war and nobody will come“. In der Friedensbewegung der 1980er Jahre wurde der Spruch gar zum Motto einer ganzen Generation.

Also immer schön kritisch bleiben und nicht alles glauben, auch wenn es noch so wohl formuliert daher kommt. „No Sports“, das Buch der falschen Zitate, bringt „Mehr Licht“ ins Dunkel und stutzt den „geflügelten Worten“ gehörig die Flügel. Teils wohl zu Recht. Denn wie kann man auch einem passionierten Reiter, Schwimmer und Draufgänger wie Winston Churchill das Zitat „No Sports“ in den Mund schieben?

Text und Foto (Symbolbild): Kurt Schnidrig