Vom Mars und von der Venus

Je mehr Digitalisierung, umso weniger Gefühle. Und je weniger Gefühle, umso weniger zwischenmenschliche Kommunikation. Zu dieser Schlussfolgerung kommt, wer das Buch „EVERYBODY LIES“ des amerikanischen Datenanalytikers Seth Stephens-Davidowitz durchblättert. Das Buch wühlt zur Zeit nicht nur Amerika auf. Es betrifft genau so auch uns Europäer. Der Datenanalytiker hat zahlreiche Suchanfragen bei Google ausgewertet, um herauszufinden, was Männer und Frauen in den USA voneinander wissen wollen.

Um das Ergebnis gleich vorweg zu nehmen: Frauen in den USA googeln über ihre männlichen Partner: Ist mein Mann schwul? Umgekehrt googeln Männer in den USA über ihre Frauen: Ist meine Frau verrückt? Das  tönt beim flüchtigen Lesen vielleicht lustig. Beim genaueren Hinsehen offenbaren sich jedoch zwischenmenschliche und kommunikative Probleme. Warum sprechen Partnerin und Partner nicht miteinander? Warum besteht zwischen den Geschlechtern ein derartiges Unverständnis? Warum müssen Frauen und Männer googeln, um Interessantes über die eigene Partnerschaft herauszufinden?

Die Fragen, die das Buch „EVERYBODY LIES“ gegenwärtig in Amerika aufwirft, hat die deutschsprachige Fachliteratur bereits beantwortet. Das Sachbuch „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ wartet präzis mit Antworten auf diese Fragestellungen auf. Der Autor Cris Evatt versucht zu beschreiben, wie Mann und Frau besser miteinander auskommen und miteinander reden können. Zwischenmenschlich, wohlverstanden, und nicht per Google-Suchmaschine. Miteinander auskommen und miteinander reden ist gar nicht so einfach, da Männer vom Mars und Frauen von der Venus sind. Was ist damit gemeint?

Der Autor versucht zu beschreiben, weshalb Frauen von der Venus und Männer vom Mars sind, weshalb also ihre Gefühls- und Gedankenwelt in unterschiedlichen Situationen so ganz anders aussieht.  Allerdings bleibt anzufügen, dass sich auch dieses Buch vorab auf amerikanische Studien stützt. Was jedoch auch uns Europäer betrifft: Der Autor gibt Hinweise, wie Marsianer und Venusianer sich besser miteinander verständigen können, ohne dafür ihr Bedürfnis für Nähe und Distanz aufgeben zu müssen.

Das Benutzen der Suchmaschine Google ist ein Eingeständnis der Angst, die viele von uns heute vor der zwischenmenschlichen Nähe haben. Man googelt lieber, anstatt mit dem Partner über ein Problem zu reden. „Face-to-Face-Communication“ ist nötiger denn je, will man nicht sich selbst aufgeben und die Problemlösungen einer Maschine anvertrauen.

So gesehen, wirkt der aktuelle US-Bestseller „EVERYBODY LIES“ für viele Amerikanerinnen und Amerikaner entlarvend. Ist es nicht leider so, dass gerade der amerikanische „Way of Life“ uns täglich weiszumachen versucht, dass alles Wissen in Datenverarbeitungs-Maschinen und in technischen Gadgets zu suchen ist?

Literatur: Seth Stephens-Davidowitz: Everybody lies. Big data, new data, and what the Internet can tell us about who we really are. Foreword by Steven Pinker.

Zum Bild: Technikglaube aus den USA. John F. Kennedy Airport, New York. Foto: Kurt Schnidrig.