Sehnsuchtsorte der Weltliteratur

Als der Heissluftballon langsam über die Akazienbäume aufsteigt, ist Kenia dann doch wie im Buch von Tania Blixen. Die afrikanische Sonne bricht durch einen wolkenverhangenen Himmel. Ein rosarotes Morgenlicht flutet die Gras-Ebene am Fuss der Olololo-Berge. Wir schweben über den Schauplätzen von Tania Blixens „Jenseits von Afrika“.

Hier, am Fuss der Olololo-Berge, spielt eine der wundervollsten Szenen der Weltliteratur, Hollywood hat die Szenen mit Meryl Streep und Robert Redford so unvergesslich romantisch und nostalgisch auf Leinwand gebannt, dass diese Bilder auch heute noch eine grosse Zahl von Literatur-Touristen nach Kenia bringen, auf den Spuren von Tania Blixens „Jenseits von Afrika“:

Der Grosswildjäger Denys Finch Hatton hebt mit seiner Geliebten Karen Blixen im gelben Propellerflugzeug über die Tierherden der Masai Mara ab. Am Nakurasee tauchen sie mit ihrem Gipsy-Moth-Doppeldecker in einen aufgeschreckten Schwarm Flamingos ein, gleiten über die Wasserfälle der Aberdare-Berge. Sie, hinter ihm sitzend, reicht ihm überwältigt ihre Hand. Und der gelbe Flieger verschwindet in den Wolken am Mount Kenya. Zurück bleiben die letzten Klänge von Mozarts feierlichem Klarinettenkonzert.

Es waren diese Bilder, die mich nach Kenia brachten. Ich habe den Film als Student gesehen, dann Tania Blixens Erzählung später immer und immer wieder gelesen.

„Wir sind jetzt genau an der Stelle, auf die Karen und Denys im Film blicken“, sagt der Ballonführer. Seitdem Sidney Pollacks Hollywoodfilm „Jenseits von Afrika“ mit Meryl Streep und Robert Redford in den Hauptrollen in die Kinos kam, ist Kenia ein Sehnsuchtsort. Die Kinobilder des fernen kolonialen Afrikas preisen Kenia als Sehnsuchtsziel für Romantiker. Das mit sieben Oscars ausgezeichnete Melodram um die Liebe der dänischen Schriftstellerin und Farmerin Karen Blixen zu dem englischen Buschpilot Denys Finch Hatton ist bis heute ein weltweiter Publikumserfolg geblieben.

Wie war es aber wirklich? Vor kurzem ist „Jenseits von Afrika“ als Neuauflage in der „Manesse Bibliothek der Weltliteratur“ erschienen. In unvergesslichen Episoden beschreibt Tania Blixen die märchenhaft-mystische Atmosphäre der Natur, erzählt von der Jagd, von den ihr fremdem Bräuchen der Einheimischen und von bewegenden Begegnungen: mit Kamante, einem kranken Kikuyu-Jungen, den sie zum Koch ausbildet, mit Häuptling Kinanjui, mit Berkeley Cole, der ihr zum Freund, und mit Denys Finch Hatton, der zu ihrem Geliebten wird.

Finch Hatton kam beim Absturz seiner Gipsy Moth ums Leben. Wir fahren in die Ngong-Berge, zur Stelle, wo Karen Blixen ihren Geliebten Finch Hatton begraben liess. Über dem Grab des Grosswildjägers wuchern Rosmarin und Dreimasterblumen. In der Ferne taucht die Silhouette der Grossstadt Nairobi aus dem Dunst auf. Auf dem originalen Filmposter sitzen Meryl Streep und Robert Redford genau hier, einander schweigend zugewandt im wogenden Gras der Savanne. 

Das Ende. Karen Blixen hält eine kurze Rede auf der Beerdigung von Finch Hatton. Dann schreitet sie den Hügel hinunter mit Blick auf die weite Masai Mara. Ein Löwe und eine Löwin lassen sich auf dem verwilderten Grab des Grosswildjägers nieder. Abspann. The End.

Dem Afrika-Buch von Karen Blixen ist seit Jahrzehnten grosser Erfolg beschieden. Mit ihrer melancholischen Liebeserklärung an Natur und Ureinwohner des afrikanischen Kontinents schuf sie ein bewegendes Stück Weltliteratur. Die verbesserte und um einige Kapitel ergänzte Neuausgabe lässt den poetischen Zauber ihrer Erinnerungen frisch erstrahlen.

„Jenseits von Afrika“ ist eines der schönsten und wundervollsten Bücher unseres Jahrhunderts.

Zum Bild: Mit dem Heissluftballon zu einem Sehnsuchtsort der Weltliteratur.  Foto: Kurt Schnidrig.