Walpurgisnacht

Heute Nacht ist Walpurgisnacht. Die Nacht der Hexen. Die Walpurgisnacht ist ein Element aus der Tragödie „Faust“ von Johann Wolfgang von Goethe, die 1808 veröffentlicht wurde. Der Gelehrte Faust und der Teufel Mephisto besteigen in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai gemeinsam den Brocken oder Blocksberg, auf dem in dieser Nacht der Hexensabbat abgehalten wird.

Es gelingt Mephisto, Faust in das wüste Treiben der Hexen hinein zu ziehen und ihn zu einem obszönen Tanz mit einer Hexe zu bewegen, so dass die Walpurgisnacht für Faust zu einem „Erlebnis der Leidenschaft“ wird. Die Hexen fliegen auf Besen oder Böcken zum Blocksberg. Für den Hexenflug spielt die Hexensalbe eine wichtige Rolle. Für alle, die es mal mit dem Fliegen versuchen wollen – hier ist exklusiv die Anleitung zur Herstellung der Flugsalbe: Diese Salbe setzt sich zusammen aus Nachtschattengewächsen wie Tollkirsche, Bilsenkraut und Stechapfel.

Aber zurück zu Faust und Mephisto. Die beiden tanzen mit den sexgierigen Hexen. Aber nicht nur das. Zu einem richtigen Hexensabbat gehört auch eine ausschweifende Orgie, in die ein solcher Tanz gewöhnlich mündet. Und die beiden tanzen nur haarscharf am Verderben vorbei. Mitten in der Orgie macht Faust sich über zwei Huren des Teufels her (sogenannte Buhlteufelinnen) und das – o Schreck! – hätte er lieber nicht tun sollen. Denn die beiden zwielichtigen Damen wollen ihn endgültig dem Bösen einverleiben. Doch Faust – gescheit wie er ist – bricht die Orgie mit den beiden Fräuleins zum Glück noch im letzten Moment ab. So führt ihn der Hexentanz um Haaresbreite an den Rand des Verderbens.

Neben Sex-Reiz waren demnach Zauberei und Tanz wichtige Indizien, an denen man eine Hexe erkennen konnte.  Goethe seinerseits bezog dieses „Wissen“ aus dem Buch „Bloks-Berg Verrichtung“ von Johannes Praetorius aus dem Jahr 1669. Die Wurzeln der Walpurgisnacht liegen aber noch viel tiefer.

Die Walpurgisnacht, wie sie Goethe in seiner Tragödie beschreibt, hat ihren Ursprung in der früheren keltischen Kultur. Die Nacht auf den 1. Mai gehörte in keltischer Tradition zum Wechsel von der Winter- zur Sommerzeit. Diese Nacht hiess bei den Kelten Beltane oder Belenus. Das grosse und schöne keltische Fest ohne jeglichen religiösen Inhalt zum Winter-Ende passte jedoch der römisch-katholischen Kirche nicht. Die römisch-katholische Kirche verteufelte den Tanz. Und noch schlimmer: Die Kirche verdammte und verketzerte auch erotische und reizvolle Frauen und machte sie zu Huren und zu Hexen.

Die Bedeutung des keltischen Beltane-Festes bestand darin, die Auferstehung der Natur in Flora und Fauna zu feiern. Diese „Auferstehung“ erscheint nun im katholischen Dogma zu Ostern als Auferstehungsfest der christlichen Kirche.

Doch so ganz ist es den Fundamentalisten der römisch-katholischen Kirche nicht gelungen, den Mythos der Walpurgisnacht zu zerstören. Moderne Hexen feiern auch heute noch die Walpurgisnacht. Das Fest leitet den Sommeranfang ein und steht im Zeichen der Lebenslust und der Fruchtbarkeit. Auch in der Schweiz machen Hexen und Hexer am 30. April die Nacht zum Tag. Sie machen im Wald ein Feuer, sie singen, tanzen und zelebrieren Lebensfreude. Sie huldigen der Natur und sie vertreiben die Wintergeister.

Moderne Hexen und Hexer beschäftigen sich mit verschiedenen Ritualen. Lichtvolle Kerzenrituale sind angesagt und sie räuchern ihr Haus mit reinigenden Harzen und Kräutern aus. Heute trifft die Hexe ihren Hexer jedoch nicht mehr auf dem Blocksberg im Harzgebirge. In London findet das jährliche internationale Hexentreffen statt. Daran nehmen 5000 bis 7000 Hexen teil.

So. Und nun – Besenstiel und Flugsalbe – bereitmachen. Guten Flug!

Zum Bild: Zusammen mit angehenden Sozial- und Gesundheits-Praktikantinnen führte ich kürzlich Goethes „Zauberlehrling“ als Theaterstück auf. Foto: Kurt Schnidrig.