Pulitzerpreis für einen kleinen Lokaljournalisten

Heute habe ich in meiner Lokalzeitung gelesen, dass die Feuerwehr eine fünfköpfige Entenfamilie aus einem Schacht gerettet hat. Und ich habe auch gelesen, dass ein Altersheim mit Kuhmist beheizt wird. Das ist sicher gut zu wissen. Die Amerikaner pflegen in solchen Fällen zu sagen: Who cares? Der Amerikaner Art Cullen ist auch ein Lokaljournalist. Er hat soeben den prestigeträchtigsten Journalistenpreis der Welt gewonnen: den Pulitzerpreis. Damit hat der Chefredaktor aus dem 10’000-Seelen-Städtchen Storm Lake im US-Gliedstaat Iowa grosse Weltblätter wie die „Washington Post“ hinter sich gelassen.  Seine Zeitung „Storm Lake Times“ erscheint gerade mal in einer Auflage von 3000 Exemplaren.

Art Cullen schreibt mit Leidenschaft. Lokaljournalismus sei für ihn „das grösste Vergnügen, das mit Kleidern am Leib möglich ist“, lässt er sich gerne zitieren. Art Cullen hat keine Angst vor grossen Tieren. Mutig tritt er mit seiner kleinen Lokalzeitung gegen die Mächtigen an. Als US-Präsident Donald Trump das Einreiseverbot für Muslime verkündete, publizierte er eine Reportage über Flüchtlinge aus dem Sudan und mit einem seiner berüchtigten Leitartikel geisselte er Trumps Politik.

Wenn der Lokaljournalist Art Cullen schreibt, dann nimmt er kein Blatt vor den Mund. Seine preisgekrönten Texte attackieren die Agrokonzerne, welche das Trinkwasser der Region mit Dünger verschmutzen. Seine Texte klopfen die untätigen Politiker aus ihrem Dornröschen-Schlaf. Art Cullen dokumentiert mutig, wie sich die Landwirtschaft verändert und wie sie Umweltschäden verursacht. Es braucht sehr viel mehr Mut, solchen Journalismus in Iowa, einer konservativen Gegend, zu betreiben als in einer Metropole wie New York (Bild).

Wer sich etwas mit der Biographie des kleinen Lokaljournalisten befasst, dem wird einiges klar. Er schloss sein Journalismus-Studium in den siebziger Jahren nach der Watergate-Affäre ab. Damals glaubte man, dass Journalismus etwas bewirken kann.

In den letzten Tagen ging das Bild des neuen Pulitzerpreisträgers um die Welt. Gekleidet ist er in viel zu grosse Bluejeans und in ein verwaschenes Hemd. Das Outfit ist für ihn nicht wichtig. Wichtig ist, dass er mit seinem Lokalblättchen etwas bewegen kann. Wichtig ist, gegen die Ungerechtigkeit dieser Welt schreiben. Wichtig ist, auch mit nur 3000 Exemplaren einer Lokalzeitung die Welt ein klein wenig zu verändern.

Für einmal hat Schreiben mit Leidenschaft gewonnen. Der Pulitzerpreis, der prestigeträchtigste Journalistenpreis der Welt, als Auszeichnung für den kleinen mutigen Lokaljournalisten Art Cullen und für sein Lokalblättchen mit einer Auflage von 3000 Exemplaren.

Zum Bild:  Strassenschluchten in New York. Foto: Kurt Schnidrig.